Kaffee und Kuchen mit einem Pläuschchen bringen Abswechslung in den Haushalt von Armin Jochum und vertreiben die Einsamkeit. Auch die Betreuerin Gudrun genießt den Austausch sehr. Gleichzeitig sammelt sie durch ihre geleistete Hilfe kostbare Betreuungsstunden für später – für den Tag, an dem sie selbst einmal auf Hilfe angewiesen sein wird. Das ist vorsorgen durch Zeit.
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Geschrieben von VN Redakteurin Marlies Mohr – Herzlichen Dank für den schönen Beitrag und Fotograf Robert Paulitsch für die schönen Bilder!
Gut betreut durch Zeitpolster Helfer:innen in Vorarlberg!
“Es ist gut, wenn die Gudrun kommt”
Frastanz: Das Haus von Armin Jochum liegt an einem Hang in der Frastanzer Parzelle Amerlügen. Sein Lieblingsplatz ist die die kleine Terrasse. Von dort kann der 84-Jährige weit ins Land hineinschauen und die Vögel zwitschern hören. Derzeit sind es Pferde, die auf der unteren Wiese grasen und an deren Anblick sich der betagte Pensionist erfreut. Einmal in der Woche erhält er Gesellschaft bei seinen Betrachtungen. Gudrun Winkler (67) schaut jeden Donnerstag für eine Stunde bei Armin Jochum vorbei, trinkt mit ihm Kaffee, den er so liebt, und erzählt, was es Neues gibt. Die ehemalige Sozialarbeiterin und Psychotherapeutin engagiert sich im Rahmen der Aktion „Zeitpolster“. Es ist eine Medaille ohne Kehrseite, denn der Nutzen ist beidseitig. Armin Jochum beschert der Besuch ein bisschen Abwechslung im Alltag, und Gudrun Winkler spart Stunden an, die sie später für ihre eigene Betreuung einlösen kann. „Diese Initiative ist es wert, unterstützt zu werden“, befindet Winkler, und Armin Jochum, an sich nicht sehr redselig, bekräftigt: „Es tut gut, wenn die Gudrun kommt.”
Gegen die Einsamkeit
Zeitpolster ist eine Art von Altersvorsorge. Es soll die staatlichen und privaten Vorsorgemodelle ergänzen. „Wir werden Alternativen brauchen, denn der Bedarf an Betreuung wächst“, sagt auch Gudrun Winkler. Zeitpolster basiert auf Freiwilligkeit, wobei der Betreute neun Euro mit Zeitpolster abrechnet, aber: „Wer anderen hilft und Zeitguthaben sammelt, sichert sich selbst Unterstützung im Alter. Auf diese Weise fördert Zeitpolster nicht nur den sozialen Zusammenhalt und reduziert die Einsamkeit vieler älterer Menschen, sondern bietet auch eine nachhaltige Lösung für den Betreuungsbedarf der Zukunft“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Gernot Jochum-Müller. Aktuell gibt es Zeitpolster-Teams in sieben Bundesländern. In Vorarlberg sind solche in Dornbirn und Bludenz, im Vorderland und Vorderwald sowie in Hard und im Walgau aktiv. Aktuell werden 171 Personen von 134 freiwilligen Helferinnen und Helfern betreut. Letztere haben seit Jahresbeginn bereits 676 Einsätze geleistet und dadurch 1427 Stunden angespart.
Glücklich mit frischem Kaffee
Gudrun Winkler hat vor fünf Monaten begonnen. Es ist ihr ein Anliegen, sich einzubringen, wo Unterstützung gebraucht wird. Sie will der Gesellschaft etwas zurückgeben. Winkler tut dies unter anderem bei Cafégesprächen in der Aqua Mühle und in der Bibliothek der Marktgemeinde, wo sie kleinen Kindern vorliest. Ins Zeitpolster-Team wollte sie zwar nicht, wohl aber „etwas Kleines übernehmen“. Das ereilte sie in Form eines Anrufs der Schwiegertochter von Armin Jochum. Zur Hauptsache kümmern sich die Angehörigen um den Vater, doch alle Zeiten können sie nicht abdecken. Deshalb kommt Gudrun Winkler ins Spiel. „Es hat sofort gepasst“, erzählt sie. „Mit frischem Kaffee sind wir beide glücklich“, merkt Gudrun mit einem Lächeln noch an. An diesem Tag ist Armin allerdings nicht ganz zufrieden. Er murrt leise vor sich hin. „Vielleicht ist der Kaffee zu stark geworden“, mutmaßt die Kaffeeköchin. Sie tragen es mit Fassung.
Langsamkeit gelernt
Wiewohl Armin Jochum, der 40 Jahre als Lehrer arbeitete, jetzt ein eher schweigsamer Mensch ist, zeigt er doch Humor. Die Frage, ob er ein strenger Mathematik- und Physiklehrer gewesen sei, bejaht er mit einem kräftigen Kopfnicken. Haben sich die Schüler vor ihm gefürchtet? „Es war umgekehrt“, sagt er, wobei ein Schmunzeln über sein kantiges Gesicht gleitet. Gudrun Winkler hat im Zusammensein mit dem ehemaligen Mittelschul-Direktor so etwas wie Langsamkeit gelernt und festgestellt: „Es tut mir gut.“ Sie schätzt Zeitpolster als lokale Initiative, die von unten wächst. „Das gegenseitige Begleiten und Unterstützen ist etwas Schönes“, hat Gudrun erfahren, „und der Kontakt mit Menschen sowieso“, flicht sie noch fröhlich ein, während sie Kaffee und Kuchen auf die Terrasse trägt, wohin ihr Armin Jochum langsam folgt. Der Regen ist abgezogen. Die Sonne scheint auf zwei Menschen, die im Einklang geben und nehmen.
Zeitpolster Vorarlberg sucht weitere Helfer:innen – Haben Sie Interesse?
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Daten und Fakten
- Aktuell ist Zeitpolster mit Teams in Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und in Wien vertreten
- Über 1000 Menschen engagieren sich bereits bei Zeitpolster
- Die Zeitpolster Helfer:innen haben schon 50000 Stunden für ihre eigenen Betreuung angespart
- Insgesamt profitierten schon über 900 Personen durch Betreuung von Freiwilligen bei Zeitpolster
- Die Altersspannbreite der helfenden Personen bewegt sich zwischen 38 – 75 Jahren mit Schwerpunkt 55+
- Altersspannbreite der betreuten Personen: 5 – 98 Jahre mit großer Bandbreite durch Kinderbetreuung, Menschen mit Beeinträchtigungen – Schwerpunkt liegt in der Unterstützung von älteren Menschen und Bekämpfung der Einsamkeit in unserer Gesellschaft
- Einsatzfelder sind einfache alltägliche Hilfsdienste: Fahrdienste und Begleitungen, administrative Hilfe, Hilfe im Haushalt und Garten, Freizeitaktivitäten, einfache handwerkliche Hilfe, Freiräume für pflegende Angehörige schaffen, Kinderbetreuung
- Alle Betreuer:innen bekommen für ihren Einsatz Stunden auf einem Zeitkonto gutgeschrieben und können diese später bei eigenem Bedarf jederzeit einlösen!