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Freiwilligenarbeit und Anerkennung im Wandel


Freiwilligenarbeit im Wandel: Drei Perspektiven aus Europa

Einleitung

Im Rahmen des Erasmus+ Projekts Learn to Care haben wir gezielt Expert*innen der Freiwilligenarbeit aus Italien, Österreich und Spanien interviewt. Ziel dieser Gespräche war es, ein tiefes Verständnis für aktuelle Trends, Herausforderungen und Chancen im Bereich Ehrenamt zu gewinnen – insbesondere im Hinblick auf die Anerkennung von Freiwilligen.
Die Erkenntnisse aus diesen Interviews sind direkt in die Entwicklung unserer Guidelines für neue Anerkennungsmodelle eingeflossen, die Entscheidungsgrundlagen für Politik, Verwaltung und Organisationen liefern sollen.

Was sich klar zeigte: Anerkennung ist nicht nur ein „nettes Extra“ für Freiwillige – sie ist ein zentrales Element für Motivation, Engagement und Qualität. Eine wertschätzende Kultur der Anerkennung entscheidet wesentlich darüber, ob Menschen bereit sind, sich langfristig freiwillig zu engagieren. Die unterschiedlichen Perspektiven der Expert*innen machen deutlich, wie wichtig es ist, nachhaltige, transparente und gleichzeitig innovative Anerkennungssysteme zu schaffen.

Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus den Interviews zusammen und zeigen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf.


Die Interviewpartner*innen:

  • Martina Gianola (Italien): Fachbeauftragte für Freiwilligenarbeit beim Dachverband für Soziales und Gesundheit in Südtirol.
  • Christoph Kutzer (Österreich): Projektleiter beim Land Vorarlberg und Koordinator für Ehrenamt.
  • Mar Amate (Spanien): Direktorin der Plataforma del Voluntariado de España (PVE).

Persönlicher und gemeinschaftlicher Nutzen der Freiwilligenarbeit

Alle drei Interviewpartner*innen betonen den hohen persönlichen und gesellschaftlichen Wert von Freiwilligenarbeit. Gianola, Kutzer und Amate sprechen über Solidarität, persönliche Sinnstiftung und sozialen Zusammenhalt als zentrale Errungenschaften ehrenamtlicher Tätigkeiten.


Anerkennung der Freiwilligenarbeit

  • Gianola sieht Potenzial für mehr öffentliche Wertschätzung.
  • Kutzer kritisiert eine oft fehlende finanzielle und strukturelle Unterstützung trotz positiver gesellschaftlicher Wahrnehmung.
  • Amate differenziert klar zwischen einem abstrakten Ansehen und einer konkreten Anerkennung auf praktischer Ebene.

Herausforderungen und Chancen

  • Herausforderungen: Überalterung, individuelle Orientierung der Gesellschaft, Überlastung von Freiwilligen.
  • Chancen: Digitalisierung, neue Formen der Anerkennung, verstärkte Kooperationen zwischen Akteuren.

Freiwilligenarbeit in Pflege und Betreuung

Alle drei betonen die enorme Bedeutung von Freiwilligenarbeit im Pflegebereich, wobei Gianola insbesondere den emotionalen Mehrwert, Kutzer die strukturelle Entlastung und Amate die klare Abgrenzung zur professionellen Pflegearbeit hervorheben.


Ausbildung der Freiwilligen

Konsens besteht darin, dass Freiwillige umfassend und praxisnah geschult werden müssen, um professionell, sicher und selbstreflektiert handeln zu können.


Digitalisierung und neue Technologien

Alle sehen in digitalen Technologien ein enormes Potenzial für Weiterbildung, Vernetzung und die Verbreitung von Informationen. Besonders Mar Amate betont die Chancen für barrierefreien Zugang und flexible Bildungsangebote.


Anerkennung von Freiwilligen

  • Gianola und Kutzer plädieren für nicht-monetäre Wertschätzung durch Zertifikate, Feiern oder individuelle Würdigungen.
  • Amate stellt das spanische Programm VOL+ heraus, das Kompetenzen von Freiwilligen formal validiert und deren Berufschancen verbessern kann.

Rolle der öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen

Die Interviewten fordern mehr Engagement der öffentlichen Hand sowie nachhaltige, statt nur symbolische Beiträge von Unternehmen zur Förderung des Ehrenamts.


Zukunft der Freiwilligenarbeit

Trotz gesellschaftlicher Veränderungen sind sich die Expert*innen einig: Die Zukunft der Freiwilligenarbeit ist vielversprechend – vorausgesetzt, es werden moderne Rahmenbedingungen geschaffen, die die Flexibilität und die Bedürfnisse der Ehrenamtlichen berücksichtigen.


Fazit

Die Auswertung der Interviews zeigt deutlich: Anerkennung ist der Schlüssel für die Zukunft des Ehrenamts. Ohne ein systematisches und respektvolles Anerkennungssystem wird es künftig schwerer, Menschen langfristig für Freiwilligentätigkeiten zu begeistern und zu halten.

Unsere Interviews verdeutlichen, dass Anerkennung nicht nur aus symbolischen Gesten bestehen sollte, sondern auch formale Anerkennung von Kompetenzen und Engagement umfassen muss. Die Gestaltung von Anerkennungssystemen muss differenziert sein – von persönlichen Dankesworten über offizielle Zertifikate bis hin zu strukturierten Qualifikationsnachweisen wie dem VOL+ Programm in Spanien.

Freiwilligenarbeit schafft gesellschaftlichen Mehrwert, doch dieser Wert muss auch sichtbar und spürbar werden – für die Engagierten selbst ebenso wie für die Gesellschaft als Ganzes.

Die Erkenntnisse aus den Interviews haben wesentlich dazu beigetragen, unsere neuen Guidelines für Anerkennungsmodelle in der Freiwilligenarbeit zu entwickeln. Damit leisten wir einen Beitrag, Freiwilligenarbeit auch für zukünftige Generationen attraktiv und nachhaltig zu gestalten.


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